Oh je – Nebel im Objektiv!

Was denken Sie über dieses Bild? Ich meine nicht die bildnerische Qualität; dazu gibt es immer unterschiedliche Meinungen. Mir geht es um die Qualität des verwendeten Objektivs.

Ich stelle die Qualität eines Objektivs nur dann in Frage, wenn die damit aufgenommenen Bilder nicht meine Erwartungen erfüllen. Hier gab es keinen Grund, irgend etwas am Objekitv zu überprüfen. Wenn man ein Objektiv verkaufen möchte, sieht es aber anders aus. Ich musste tun was ich sonst nicht gemacht hätte. Eine Suche mit der Taschenlampe nach kleinsten Staubpartikeln, haarfeinen Kratzern oder gar Pilzbefall und Nebel waren angesagt. Ich war ziemlich überrascht, dabei massiven Nebel im Objektiv zu sehen.

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Das passte wirklich nicht zu dem Bild, das ich vor nicht so langer Zeit damit aufgenommen hatte. Hatte sich der Nebel in so kurzer Zeit entwickelt? Sehr unwahscheinlich, aber es machte mich neugierig.

Ich habe den Sachverhalt mit zwei weiteren Objektiven geprüft, von denen eines eine sehr geringe Menge Belag im Objektiv hatte und das andere ohne erkennbaren Makel war. Ich habe die drei Objektive nebeneinander gelegt und von der Rückseite ein Dedolight darauf gerichtet. (Das Muster im linken Objektiv ist eine Spiegelung der Platte darunter)

Gefunden habe ich dies:

Viele würden nun sagen: wirf das mittlere weg, es ist völlig unbrauchbar. Und das linke mit etwas Belag am besten auch.

Es gibt aber normalerweise keine Taschenlampe, die aus der Kamera durch das Objektiv leuchtet. Was hat der Belag also wirklich für Auswirkungen? Es ist recht erstaunlich, was man sieht, wenn man von vorn durch die Objektive auf einen strukturieren Hintergrund schaut.

Alle drei zeigen ein klares Bild von meinem Studiohintergrund dahinter. Es schien also, dass der Taschenlampentest die wirklichen Probleme des Objektivs erheblich überbewertet.

Ich habe mit den Objektiven bei offener Blende einige Bilder aufgenommen. Das erste Set zeigt ein Tabletop Arrangement:

Die Bilder spiegeln zwar die unterschiedlich Schärfentiefe der Objektive wider, zeigen aber keine offensichtlichen Unterschiede hinsichtlich Kontrast und Schärfe.

Im zweiten Set habe ich das Dedolight fotografiert, mit dem ich dieses Arrangement beleuchtet hatte.

Das Objektiv mit wenig Nebel ist so kontrastreich wie das klare Objektiv.

Bei der Aufnahme mit dem vernebelten Objektiv ist an wenigen Lichtkanten eine Überstrahlung sichtbar.  Sie tritt nur dort auf, wo die Lichtquelle selbst neben schwarzen Flächen abgebildet ist. Schon an den Toren und an den Lüftungslöchern ist das nicht mehr wahrnehmbar. Manche meiner Objektive für die Digitalkameras haben da wesentlich mehr Probleme, auch ohne dass sie Nebel haben und ohne dass die Lichtquelle selbst im Bild ist.

Aus diesen Ergebnissen ist zu schließen, dass selbst ausgeprägter Belag im Objektiv die Bildqualität bei normalen Objekten nicht merklich beeinträchtigt. Nur bei extremen Kontrasten wird eine Überstrahlung sichtbar. Das erklärt auch, weshalb das Bild von Steph technisch einwandrei ist – mit einem Objektiv, das viele wohl schon entsorgt hätten.

Das sagt mir einmal mehr: bleib bei der Beruteilung dessen, was du am Bild siehst. Erspar dir, ohne Grund Objektive zu inspizieren und falsche Schlußfolgerungen zu ziehen, welche Bildqualität sie wohl haben werden. Das ist bei weitem nicht das gleiche, nur weiß es kaum jemand.

Meine Webseite hat übrigens oben links auch Überstrahlung. Das kann auch ganz wirkungsvoll sein, wenn man damit umzugehen weiß.

What people talk 6 Comments

18. Juli 2023 Andrea Grouls

Hallo Ewald,

habe dein Thema interessiert gelesen. Es ist tatsächlich verflixt. Versuche schon seit geraumer Zeit mein Carl Zeiss Objektiv für Contax zu verkaufen: das Planar 85mm 1,4. Zurecht wird es meines Erachtens heute noch hochpreisig verhandelt, da es ja zu einem der Flaggschifffe der Portraitfotografie gehört. Aufgrund der Adaptierfähigkeit auf andere Systeme jenseits von Contax-Kameras für viele Fotografen also bis heute noch relevant. Über damals ebay-kleinanzeigen ein ernsthafter Kunde, der in meiner Stadt wohnt und sich das Objektiv vor Ort angeschaut hat. “Natürlich” hatte er eine Taschenlampe dabei ! Und gesucht und gesucht hat er – aber neben Staubeinschlüssen und winzigen Kratzern nichts gefunden. Und so hab ich das Objektiv ja auch beworben. Faire 700 Euro hab ich dafür erhalten. Doch mein 2wöchiges Rückgaberecht von Privat wurde “uns” zum Verhängnis. [by sideway: warum DARF man auf Kleinanzeigen Produkte ohne Sachmängelhaftung anbieten, wenn dieser doch nur Ausdruck minimalster Käuferschutz ist?] Am nächsten Tag stand er wieder bei mir auf der Matte. Er hatte doch noch was gefunden: einen winzigen milchigen Punkt, der mit seiner ebenso winzigen Corona auf einen Fungus hindeutete. Er selbst hatte einige Mühe, die Stelle (natürlich mit seiner Taschenlampe) vor unseren Augen wieder sichtbar zu machen. Anstatt das edle Werkzeug nur noch als Briefbeschwerer zu benutzen (zynischer Sprech in Fotofachgeschäften, die ich daraufhin kontaktiert habe), kam mir eine dilettantische Idee: stell das Ding mit Offenblende für zwei Tage in die Sommersonne, denn jeder Pilz weiß, das er auf dieser Welt damit nicht so gut klar kommt. Der Schuß ist nach hinten losgegegangen: Zum Pfleck, der bleiben wollte, hat sich dann noch ein Haze breitgemacht, der wohl aufgrund der hohen Temperaturen im schwarzen Gehäuse die Öle und Fette des 30 Jahre alten Schneckengangs auf die Reise geschickt hat. Ich glaube, Du kannst Dir vorstellen, wie verzweifelt ich mit meiner Verschlimmbesserung war ?! Wirklich schlimm ist der Nebel aber dennoch nicht, denn er hat sich nur am Rand auf vielleicht 1/8 der Glasflächen ausgebreitet. Die darauf folgenden Verkaufsanzeigen, bei denen ich wie gewohnt die vermeintlichen Schwächen nicht versteckt habe, waren dem Standard entsprechend ernüchtern – denn klar doch!: für jetzt von mir angebotene 400 VB: “kann man am Preis nix machen?” 90 Euro war das Maximalgebot. ok – lassen wir das….

Doch hier jetzt das mir wichtigste in deinem Beitrag: Du hast in deinem Kommentar geschrieben:

Ich habe gerade auch ein Objektiv bekommen, das zwar keinen Nebel aber Pilzbefall hat. Ich habe das Objektiv auseinandergenommen und zwei Linsenflächen reinigen können. Es ist aber noch immer erheblicher Pilzbefall an den nicht zugänglichen Linsenflächen zu sehen.

Somit wird die nächste Büchse der Pandorra geöffnet: Was hab ich nicht schon alles im www gelesen und gesehen: trocken abreiben, niemals Microfaser! – dann wiederum bitte nur Microfaser! Doch vielleicht Alkohol? Oder doch lieber Wasserstoffperoxid, verdünnt oder eher unverdünnt – je nach Geschmack! Und wenn das Zusammenschrauben wieder gelingt, weil keine Schraube verlorengegangen ist (bzw. übrigbleibt): sind die Gläser wieder 150prozentig plan eingelegt und fixiert worden ? etc pp.

Ich hab vor einem Jahr bei Zeiss selbst angefragt: die machen so was prinzipiell nicht mehr – so das kurz gefasste Telefonat. Ohne wirklich verstanden zu haben „warum nicht?“, folgte der Hinweis auf einen Kostenvoranschlag, den man keinem Besitzer eines Zeiss Objektivs zumuten dürfe. Vielleicht haben sie aber einfach nur eine große Sorge, das mein Objektiv ihre aseptischen Produktionsstätten verseucht, wenn sie mal nicht aufpassen? – ok -lassen wir das.

Noch ein vielleicht nicht unbedeutendes Fragment bleibt übrig: Viele Gläser vieler Objektive werden vergütet. Und das nicht nur äußerlich am Front- oder Rückglas. Die Vergütungen meines Objektivs betreffen die verbauten Linsen im Inneren, so Zeiss. Wenn man da mit Chemie oder massiv mechanisch ran geht: was bleibt davon übrig? Archaische Spritzanlagen für die Vergütung alter Linsen hat die Firma nicht mehr in Betrieb, so Zeiss. Ob der Verlust der Beschichtungen mehr oder weniger sichtbareren Schaden zufügt, als ein Fungus oder ein Haize, kann ich mit meinem unbelehrt technischen Halbwissen wohl kaum erahnen.

Letztes Update: mein Objektiv nach einem Jahr wieder als Briefbeschwerer betrachtet und wieder mal neugierig geschaut, was der Markt so hergibt. Dabei über Kleinanzeigen ein Startup in Köln entdeckt : Cameradealer seit Mai 2023 online. Hier das von ihnen angebotene Objektiv als überholt, gecheckt und gereinigt etc pp für 850 Euro. Fast sofort angerufen und meine Situation geschildert. Sie hätten einen Fachmechaniker, der mir meins für ca. 70 Euro (aufwärts) wieder fit macht. Ansonsten hätte ich die Option, Ihnen meins für 50 Euro zu überlassen (nein, nein : keine Kommission…). Als ich nachfragte, wie man sich zur Entfernung geschilderter Mängel ran macht, wurde ich auf entsprechenden Mechaniker verwiesen, der diese Woche vor Ort sei. Werde anrufen und gespannt sein…!

Das alles schräg, lieber Ewald.
Denn in Anbetracht von Reisen zum Mond und Teleskopen, die unser All durchleuchten, ist es mir schwer verständlich, das kein Kompetenznetzwerk zu finden ist, das autorisiert und fundiert die hier angesprochene Problematik angeht. Vielleicht fördert letztendlich das kapitalistische Konkurrenzstreben Verschleierungen, weil eingekapseltes Wissen Macht ermöglicht.

Gruß

Andrea Grouls

6. Februar 2023 Markus Fornaçon

Moin!
Ein schöner Bericht. Ich liebe Objektive, die andere nur noch achtlos in die Tonne kloppen würden. Allerdings ändert sich die beschriebene Abbildungsleistung teilweise dramatisch, sobald Gegenlicht in’s Spiel kommt. Aber einen Versuch sind auch vermeintlich üble Linsen immer wert.
Gruß,
Markus.

8. November 2021 Leonard Blumfeld

Es war für mich sehr aufschlussreich, diesen Artikel zu lesen und die Beispielbilder zu sehen. Ich habe eine Agfa Isolette II ersteigert und nach Erhalt festgestellt, dass das Objektiv ziemlich vernebelt ist, so dass ich versucht war, die Kamera einfach als unbrauchbar ins Regal zu stellen. Sie hat 10€ gekostet, d.h. eine teure Reinigung wäre ökonomisch fragwürdig, da bei diesen Balgengeräten ja evtl. auch noch andere Dinge Probleme bereiten können (undichter Balg, ungenaue Zeiten usw.). Nach Lektüre deines Artikels werde ich nun doch einen Film dranrücken, um zu sehen, was dabei herauskommt. Vielen Dank also!

8. November 2021 ewald

Es freut mich immer, wenn meine Blog-Beiträge einen Nutzen haben 🙂
Es ist immer eine Enttäuschung, wenn man ein Fotogerät kauft, das dann nicht den Erwartungen entsricht. Bei einer Investition von 10 € ist das zwar nicht sehr schmerzlich, aber doch ärgerlich.
Ich denke, wenn sich die längeren Verschlußzeiten noch einigermaßen richtig anhören, wird der Film eventuelle kleine Abweichungen wegstecken. Die Lichtdichtigkeit des Balgens ließe sich mit einer Taschenlampe in einem ansonsten dunklen Raum relativ leicht prüfen. Wenn diese beiden Dinge keine größeren Probleme nahelegen, würde es micht nicht wundern, wenn an den Testaufnahmen nichts ungewöhnliches festzustellen ist.
Ich habe gerade auch ein Objektiv bekommen, das zwar keinen Nebel aber Pilzbefall hat. Ich habe das Objektiv auseinandergenommen und zwei Linsenflächen reinigen können. Es ist aber noch immer erheblicher Pilzbefall an den nicht zugänglichen Linsenflächen zu sehen. Ich habe damit trotzdem einen Film belichtet und dabei auch problematische Lichtsituationen nicht vermieden. Nur bei einer Aufnahme sieht man ganz in der Ecke im Gegenlicht eine Kontrastminderung, die auf den Pilzbefall zurückzuführen sein könnte. Alle anderen Aufnahmen sind so wie ich sie für ein intaktes Objektiv erwarten würde. Man kann also wirklich sagen: Versuch macht klug.
Ich bin gespannt zu erfahren, ob deine Kamera noch brauchbar ist.
Viele Grüße
Ewald

25. März 2021 Jarno Waetzig

Many thanks for your information!

It’s not self-evident, applying such effort to publish this detailed report.

I love to give imperfect Lenses, for example with scratched frontlense, a second chance.
They are often a bargain, and there is no optical drawback in most cases.

26. März 2021 ewald

You are absolutely correct – but few people know this. I am glad you see it in the same way as I do!
I also bought two lenses with scratches, and I use them happily. They can be had for a bargain because most photographers are wary about even the tiniest amount of dust. My friends always grab the cleaning tissue when they see my lenses 😉

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