Vor einiger Zeit bin ich nach Baden-Baden gereist, um Robert Reis zu besuchen, der dort seine großartigen Portraits ausstellte. In meinem Rucksack hatte ich eine kleine Schachtel mit Fotografien, die ich ihm zeigen wollte. Auf dem Weg kam ich an einem der mittlerweile selten gewordenen Fotogeschäfte vorbei und sah dort im Schaufenster einige alte Fotografien ausgestellt, darunter dieses Kleinod in einer schönen, mit Samt ausstaffierten Schatulle.
Es ist eine kolorierte Ferrotypie, die zwischen 1851 und 1890 entstanden sein dürfte. Als ich dieses Foto kaufte, erzählte mir der Inhaber begeistert von dieser alten Technik. Ich nahm meine Schachtel aus dem Rucksack und fragte ihn: “Raten Sie mal, was ich in dieser Schachtel habe”. Sie enthielt einige meiner Ferrotypien, und wir kamen ausgiebig ins Gespräch.
Eine historische Ferrotypie
Übung macht den Meister
Mit diesen Ferrotypien befasse ich mich schon seit einiger Zeit. Sie zählen zu den Kollodium-Nassplatten, die Mitte bis Ende des 19. Jahrunderts die übliche fotografische Technik waren. Das 1851 von Frederick Scott Archer veröffentlichte Verfahren revolutionierte durch seine für die damalige Zeit relativ kurzen Belichtungszeiten die fotografische Technik. Nach heutigen Maßstäben ist es mit ca. 3 ASA allerdings alles andere als empfindlich. Die Belichtungszeiten liegen auch mit sehr viel Licht oft bei mehreren Sekunden, für die das Modell still halten muß.
Die Modelle beklagen sich aber nicht darüber. So schwierig die Technik nämlich auch ist, sie hat auch einige Faszination rund um die Aufnahme. Es beginnt schon damit, dass das Trägermaterial – eine schwarze Aluminiumplatte – erst unittelbar vor der Aufnahme in der Dunkelkammer belichtungsfähig gemacht werden kann. Die noch nasse Platte wird belichtet und muss weiterverarbeitet werden, bevor sie trocknet – daher die Bezeichnung Nassplatte. Bei dieser Weiterverarbeitung wird das Bild zunächst nur schemenhaft im roten Licht der Dunkelkammer sichtbar und erscheint dann nach und nach als fertiges Bild. Es ist ein magischer Moment, der auch viele Models fasziniert.
Obwohl es eigentlich Aluminotypien sind, werden sie in der Regel doch als Ferrotypien bezeichnet. Im Lauf meiner Entdeckunsreise mit diesem Verfahren habe ich viel experimentieren und optimieren müssen, weit mehr als mit den anderen historischen Verfahren, mit denen ich mich befasse. Viele Platten, die ich gern noch hätte sind aus dem einen oder anderen Grund verloren. Mein allererster Versuch beispielsweise war beinahe fehlerfrei – bis zu dem Moment in dem ich das Bild mit einem Schutzlack konservieren wollte. Es löste sich binnen Sekunden auf und war verschwunden. Diesem und anderen verlorenen Bildern traure ich zwar nach, aber sie sind auch Teil des Lernprozesses, mit dem man solche Verfahren letztlich besser beherrscht.
Neben den Aufnahmen im Studio arbeite ich mit dieser Technik auch draußen – momentan allerdings beschränkt auf den Umkreis meiner Dunkelkammer. Je nach Licht kann auch hier die Belichtung bis zu 10 Sekunden betragen. Dafür ist in der Regel eine hinter dem Modell angebrachte Kopfstütze notwendig, aber diese Fotos sind ohne solche Hilfsmittel entstanden.
Mir geht es gar nicht um so perfekte Technik wie sie auf meiner in Baden-Baden erstandenen Ferrotypie zu sehen ist. Imperfektion und bis zu einem gewissen Grad auch Fehler gehören für mich dazu. Wenn ich das nicht wollte, könnte ich auch gleich meine Digitalkamera nehmen; die macht es meist perfekt, auch wenn ich das gar nicht will. Meine historischen Objektive und meine Holzkamera, mit denen ich diese Aufnahmen gemacht habe, sind davon so weit entfernt wie es nur geht.
Meine ersten Ferrotypien
Nicht immer einfach
Beim nächsten Shooting
Das ende der historischen Technik
Das Ende dieser Technik um ca. 1880 ist George Eastman zu verdanken, der wie damals üblich mit nassen Kollodiumplatten arbeitete. Zu seinem Ärger hatte er mit Silbernitratlösung, die zur Erstellung von Kollodiumplatten notwendig ist, seine Kleidung ruiniert. Alles, was mit dieser Lösung in Berührung kommt, wird schwarz – nicht nur die Kleidung sondern auch die Haut. Man muß deshalb bei der Erstellung der Ferrotypien Schutzbrille und Gummihandschuhe tragen. Eastman nahm das zum Anlass, seine Trockenplatten zur Marktreife weiterzuentwickeln und eine Firma zu gründen, die er später “The Eastman Kodak Company” nannte. Von da an war es nicht mehr nötig mit Chemikalien zu arbeiten, die vor allem bei Anfängern (daher auch auf meinem Titelfoto zu sehen) gern länger bleibende Spuren hinterlassen – schwarze Kunst eben.
Der Wet Plate VOODOO
Es kann durchaus vorkommen, dass es bei einem Shooting mit den Ferrotypien nicht so recht klappen will. Dann sucht man gern im Internet nach möglichen Fehlerquellen, und ich habe sie auch gefunden: es ist der Wet Plate Voodoo. Die Empfehlung war, aufzuhören und am nächsten Tag weiterzumachen – dann ist er wieder weg. Manchmal findet man tatsächlich keine andere Ursache als diese.
Ein herzlicher Dank geht an die Models für das Interesse an dieser Technik und für die manchmal nötige Geduld. Ganz besonders gilt das für die Maskierte, die auf den Bildern zu sehen ist und zu meiner Weiterentwicklung viel beigetragen hat, so dass ich heute ziemlich zuversichtlich mit Kollodium Naßplatten arbeiten kann. Bei den ersten Bildern hat sie 30 Sekunden die Position gehalten – ohne Kopfstütze! Eine Meisterleistung, die ich noch immer bewundere. Den Wet Plate Voodoo gibt es immer noch, aber er kommt doch eher selten. Er ist auf einem meiner Bilder mit Zetze.
Weitere Kollodium Naßplatten finden sich in mehreren Shootingberichten und bei meinen Portfoliobildern:
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